Die Historiker*innen Markus Jeitler und Angelika Kölbl (IMAREAL und Stiftsarchiv Göttweig) haben sich mit der Besitz- und Nutzungsgeschichte des Nikolaihofes in Mautern auseinander gesetzt und einige interessante Aspekte erforscht.
Nach derzeitigem Wissenstand wurde das Kastell Favianis um 500 aufgegeben und erst wieder im Kontext der Eingliederung des Ostalpenraumes in das Fränkische Reich im 9. Jahrhundert als einer der karolingischen Zentralorte entlang der Donau wiederbelebt. In diesem Zusammenhang dürfte in den Resten des spätantiken Kleinkastells ein frühes Seelsorgezentrum etabliert worden sein. Dafür sprechen einerseits frühmittelalterliche Gräber im unmittelbaren Umfeld des Nikolaihofes, aber auch die schriftliche Überlieferung einer Passauer Bischofssynode aus dem späten 10. Jahrhundert, die in der „basilica Agapiti martyris“ abgehalten wurde. Dies vermittelt jedenfalls der Wortlaut der Urkunde, die davon berichtet. Nachdem die heute noch im Nikolaihof befindliche Kapelle den Hl. Agapitus von Praenestre als Patrozinium aufweist, spricht viel dafür, eine sakrale Vorgängeranlage hier zu lokalisieren.
Der Historiker Markus Jeitler versuchte auf Basis der dünnen schriftlichen Überlieferung etwas Licht in die frühe Geschichte des Nikolaihofes zu bringen. Für das 9. und 10. Jahrhundert stehen dabei mit Ausnahme der Bischofssynode keine Schriftquellen zur Verfügung, die direkte Aussagen zum Nikolaihof erlauben. Das ungewöhnliche Agapit-Patrozinium könnte, wie schon die ältere Forschung argumentiert hat, auf das 777 gegründete Benediktinerstift Kremsmünster in Oberösterreich verweisen, wo Reliquien dieses Heiligen spätestens seit 893 verehrt wurden. Allerdings fehlen Belege dafür, dass das Kloster jemals im Besitz dieses Areals in Mautern war, spätere Besitzungen Kremsmünsters in Mautern befanden sich in einem anderen Stadtviertel.
Die Quellenlage verdichtet sich ab der Mitte des 11. Jahrhunderts, wobei drei kirchliche Akteure mit Bezug zu Passau eine wichtige Rolle spielen: Die Passauer Bischöfe, insbesondere Bischof Altmann von Passau, das Chorherrenstift St. Nikola und das Kloster Göttweig: Zwischen 1066 und 1073 gründete Bischof Altmann von Passau ein Augustiner-Chorherrenstift, zu dessen Stiftungsgut unter anderem eine „Hube“ und zwei Weingärten in Mautern gehörten. Die weitere Überlieferung spricht dafür, dass es sich bei der „Hube“ bereits um den Komplex des späteren Nikolaihofes handelte. Dieser war demnach zuvor im Eigentum des Passauer Bischofs. Zu diesem Zeitpunkt existierte in Mautern auch schon die heutige Pfarre St. Stephan, die unter Altmanns Vorgänger Bischof Egilberts v. Passau (reg. 1045–1065) gegründet wurde. Da das Pfarrkirchenareal, der Passauer Amtssitz im (späteren) Schloss Mautern und der Nikolaihof den Großteil der donauseitigen Stadtfläche einnehmen, kann hier somit von geschlossenem bischöflich-passauischen Besitz im 11. Jahrhundert ausgegangen werden. Diese regionalen Besitzungen dienten als ökonomische Basis für Bischof Altmann, nachdem er im Kontext des Investiturstreits zwischen Papst und Kaiser als Parteigänger des Papstes 1078 aus Passau vertrieben wurde. Vom ebenfalls Babenberger-Markgrafen Leopold II. aufgenommen, gründete Altmann 1083 auf dem Göttweiger Berg einen Exilsitz samt Stift, das nach seinem Tod in das bis heute bestehende Benediktinerkloster umgewandelt wurde. In diesem Zusammenhang dürfte es zu Ausverhandlungsprozessen zwischen dem Stift St. Nikola und dem Kloster Göttweig gekommen sein, die sich indirekt in mehreren Besitzbestätigungsurkunden widerspiegeln. In diesen wird nun erstmals wieder ein(e) „murale, in quo capella s. Agapiti“ genannt. Die Ummauerung („murale“) könnte dabei die Reste des spätantiken Kleinkastells bezeichnen, in denen sich der Wirtschaftshof von St. Nikola zu etablieren beginnt. 1223 urkundet Bischof Gebhard (I.) v. Plain in „S. Agepiti [sic!] in Mautarn“.
Ab dem 13. Jahrhundert setzt auch die archivalische Überlieferung aus dem ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift St. Nikola ein, die von Angelika Kölbl ausgewertet werden. Bis in das 16. Jahrhundert gelingt es dem Stift, durch weitere Schenkungen und Zukäufe den regionalen Besitz in der Wachau, im Dunkelsteinerwald bis in das Weinviertel auszudehnen und somit den Nikolaihof zu einem bedeutenden Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum auszubauen.