Sucht man in mittelalterlichen Urkunden nach einem Hirsch, wird man dieses Wildtier entweder in Form eines Familiennamens oder als Wappentier auf einem Siegel finden. Für die Volltextsuche erschwerend ist die Tatsache, dass mit Hans Hirsch ein umtriebiger Urkundenforscher der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenfalls den Namen Hirsch trug. Auf Siegeln tummeln sich ganze oder halbe Hirsche; sie stehen herum, schreiten auf Rosen, klettern auf schräg ansteigende Berge und auf Felsen. Hirsche können auch Helme tragen, zumindest stellt die Siegelbeschreibung einer Garstener Urkunde diese Vermutung in den Raum. In Frankreich scheinen geflügelte Hirsche ihre Ruhe in den Wäldern zu suchen oder lagern an mächtigen Initialen.
Oberösterreichisches Landesarchiv Urkunden Spital am Pyhrn (1190-1798) 1460 II 10, in: Monasterium.net,
mom/AT-OOeLA/SpitalamPyhrnCan/1460_II_10/charter
Die Jagd nach einem und das Erlegen eines Hirsches ist im adelig-herrschaftlichen Verständnis ein königliches Privileg, das erst im Laufe der Zeit auch auf territorialherrschaftliche Ebene ausgeweitet wurde. Jagdrechte sind Herrschaftsrechte, und so muss der Dechant und das Kapitel des zum Bistum Passau gehörigen Stiftes im oberösterreichischen Spital am Pyhrn die Erlaubnis abwarten, um in den umliegenden Wäldern seines Territorialherrn einen Hirsch erlegen zu können. Immerhin war es wohl der vermutlich adeligen Herkunft des Dechants geschuldet, dass er gemeinsam mit seinem Kapitel überhaupt eigenständig auf die Jagd gehen konnte. Dem Bürgermeister und Rat von Bautzen hingegen war dies nicht möglich.
Die städtische Elite der Stadt konnte lediglich einen bereits erlegten Hirsch in Empfang nehmen. Die Hirschjagd steht an der Spitze der Hierarchie vormoderner Jagdmethoden, und somit ist auch die Erlegung nicht nur Vorrecht des Adels, sondern zunächst königliches Hoheitsrecht. Es mag daher nicht besonders verwundern, dass die Bruchfläche der Abwurfstange in der Jägersprache als „Petschaft“ bezeichnet wird. Der enge Zusammenhang von Jagd als herrschaftliches Privileg und Siegelführung scheint unübersehbar: Beide Praktiken dienen der Visualisierung und sozialen wie materiellen Inskription von Herrschaft.