Brigitte Rath
Die Geschlechtergeschichte des Huhns
Die Geschichte des Huhns wurde noch nicht geschrieben. Wesentlich besser ist es um das männliche Pendant, den Hahn, bestellt. Seiner prominenten Erwähnung in der Bibel beim Verrat des Petrus steht die Erwähnung von Hühnern in den Sprüchen im Alten Testament gegenüber: „Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt!“ (Matthäus 23,37).
In der Alltagswelt der vorindustriellen Zeit sind Hühner sowohl in Städten als auch auf dem Land mit ihrem Gegacker und Geflatter und Gescharre überaus präsent. Hennen sind soziale Tiere und legen Eier, ihr Fleisch ist schmackhaft und die Federn können als Daunen verarbeitet werden. Also ein Nutztier par excellence. Ein genderspezifischer Aspekt betrifft die Versorgung der Hühner, denn sie gehörte zum Aufgabenbereich von Frauen, die sowohl Hühner, als auch Eier verkauften und über die Einkünfte verfügten. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn in der Kriminalitätsforschung Hühnerdiebstahl mit weiblichen Tätern verknüpft erscheint, wie sich an Südtiroler Quellen des 16. Jahrhunderts feststellen lässt. Els Porzlingerin, ein ‚altes Weib aus Vels’ [=Völs], tritt mit sehr homogenem Diebstahlsverhalten auf. Sie gesteht, ausschließlich Hühner gestohlen zu haben. In fünf Einzeltaten gibt sie an, insgesamt 17 Hühner und Hennen entwendet zu haben. Das letzte angegebene Delikt ist als Diebstahlsversuch zu werten und blieb erfolglos, denn „do sey man darzue kumen vnd sy vertriben“. Es schien offenbar nicht besonders verdächtig, als Frau mit Hühnern angetroffen zu werden und erst als sie in flagranti erwischt wird, endet ihr Diebstahlversuch erfolglos.
Bildliche Darstellungen des Huhns finden sich in den Abbildungen des Hühnerwunders des Jakobus maior, die auf der Legendensammlung des Liber Calixtinus fußen und ab dem 12. Jahrhundert rezipiert und im 15. Jahrhundert populär wurden. An einem Beispiel eines Freskos aus Tschötsch von 1461, das Leonhard von Brixen anfertigte, soll das demonstriert werden (siehe Abbildung).