Karin Kühtreiber
Catpeople – Von Katzen, Mäusen und Heiligen
Unter den zahlreichen religiösen Devotionalien, die bei den Ausgrabungen am Domplatz von St. Pölten zum Vorschein kamen, findet sich ein figürlicher Anhänger, der eine nimbierte Person zeigt, die neben den Attributen Kreuz und Buch auch mit einer Katze dargestellt ist (siehe Abbildung rechts). Das Tier steht langbeinig mit Katzenbuckel und hochgestelltem Schwanz hinter der Figur und lugt neugierig aus dem Hintergrund hervor – ein Gestus, der allen Katzenfreunden nur allzu gut bekannt ist.
Eine Katze als Heiligenattribut? Nun, eine schnelle Befragung einschlägiger Lexika wirft die hl. Gertrud von Nivelles als Schutzpatronin der Katzen aus. Zahlreiche moderne Heiligenbilder und Schutzmedaillen scheinen dies zu bestätigen. Historische Darstellungen zeigen dagegen ein völlig anderes Bild: weit und breit keine Katze, stattdessen wuselt es im Umfeld Gertruds nur so von Mäusen. Darstellungen ab dem Mittelalter zeigen die Heilige mit Mäusen auf den Schultern und auf dem Kopf sitzend, auf anderen erklimmen sie ihren Abtstab. Tatsächlich galt Gertrud von Nivelles seit dem Mittelalter als Schutzpatronin vor Mäuse- und Rattenplagen, soll sie doch den Teufel in der Gestalt einer Maus, der sie beim Spinnen zu Ungeduld und Zorn reizen wollte, durch Gebet vertrieben haben. Das Katzenpatrozinium ist dagegen eine moderne Weiterentwicklung aus den 1980er Jahren und entstand gleichsam im Umkehrschluss: eine Heilige, die gegen Mäuse hilft, muss eine Katzenliebhaberin sein.
Die Person, die tatsächlich mit dem Anhänger aus St. Pölten dargestellt worden sein dürfte, ist hingegen der Kirchenvater hl. Hieronymus, an dessen Seite nachweisbar und sehr häufig eine Katze zu finden ist. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine kleine Hauskatze, sondern um „seinen“ Löwen, dem er, der Legende zufolge, einen Dorn aus der Tatze entfernte, worauf dieser aus Dankbarkeit als Haustier bei ihm blieb. Vergleichbar mit mittelalterlichen Darstellungen, die den wilden Löwen eher als zahmes Kätzchen zeigen, das Hieronymus zu Füßen liegt oder von ihm liebevoll gestreichelt wird, dürfte dem/der Künstler*in des St. Pöltner Anhängers vor allem die eigene Hauskatze Modell gestanden sein. Die Umsetzung gelang dabei so realitätsnah, dass – der/die Betrachter*in darf es sich eingestehen – der Streichelreflex unverzüglich angesprochen wird.
