Josef Löffler
Wehrhaft gegen nah und fern
Im berühmten Adelsratgeber „Georgica curiosa“ des niederösterreichischen Landadeligen Wolf Helmhard von Hohberg (1612–1688) finden sich neben den genretypischen Ausführungen zur adeligen Haushalts- und Wirtschaftsführung auch Informationen zu einer Reihe von exotischen Tieren, die offenbar zum Wissenskanon eines adeligen Hausvaters gerechnet wurden. Unter den beschriebenen Tieren findet sich auch das Stachelschwein, das als große Igelart mit einem hasenartigen Kopf beschrieben wird. Erwähnt wird auch, dass Stachelschweine „bey uns“ (wohl als Attraktion) herumgeführt würden, abgesehen von Früchten und Wurzeln sei deren bevorzugtes Futter in Wasser eingeweichtes Brot. Das Zedlersche Lexikon berichtet außerdem, dass das Tier Wasser säuft, „wenn aber Wein darein gemischet wird, so nimmet es solches noch begierlicher zu sich.“ Obwohl es offenbar gewisse Erfahrungen im Umgang mit dem Tier gab, tradierten die beiden genannten Werke allerdings auch die Legende, dass Stachelschweine ihre Stacheln nicht nur für Verteidigungszwecke, sondern durch Abschießen der Stachel auch für Angriffe nutzen könnten.
Diese weit verbreitete Vorstellung hatte im Jahr 1394 Ludwig von Valois-Orleans (1372–1407), den jüngeren Bruder Karls VI. von Frankreich (1368–1422), dazu veranlasst, das Stachelschwein als namensgebend für seinen neu gegründeten Ritterorden mit der Devise „Cominus et eminus“ („nah und fern“) zu wählen. Ihm persönlich brachten die beschworenen Stachelschweintugenden kein Glück, er wurde 1407 auf offener Straße von Meuchelmördern ermordet.
Der Aufstieg des Stachelschweins in lichte Höhen adeliger Repräsentation wurde allerdings nur kurz unterbrochen. Als der Enkel des Herzogs als Ludwig XII. (1462–1515) im Jahr 1498 den französischen Thron bestieg, übernahm er die Devise des Ordens und das Stachelschwein als sein Badge, das er nun im ganzen Spektrum königlicher Repräsentation einsetzte. So ließ er etwa beim Festzug anlässlich seiner Krönung zur Demonstration der Wehrhaftigkeit seines Königtums ein mehrere Meter großes mechanisches Stachelschwein mitführen, als Signet findet sich das Tier in großer Zahl an seinen Bauwerken wie etwa in seinem Hauptresidenzschloss Blois, auf Kanonen, Medaillen oder Münzen. Damit war allerdings auch der Höhepunkt der glänzenden Laufbahn des Stachelschweins als Herrschaftssymbol erreicht, der nachfolgende König Franz I. (1494–1547) setzte auf den Salamander als Bilddevise. Hohberg weiß allerdings noch von einem weniger glamourösen Aspekt zu berichten, so sollen die Stacheln auch „gut zum Zahnstieren seyn / und die Zahnwehe vertreiben.“